Seit Anbeginn der Zeit werden Geschichten erzählt. Sie sind emotional, schaffen Identifikation, verankern Botschaften und motivieren sogar zu Handlungen – im besten Fall. Insbesondere Social Storytelling kann durch die im Vordergrund stehende Visualität alle diese Trigger bedienen und hat sich als eigene Disziplin etablieren können. Doch anders als noch vor einigen Jahren, konsumieren und erzählen wir Geschichten heute schneller und mit höheren Erwartungen. Rückblickend betrachtet hat sich das Geschichtenerzählen mit dem Durchbruch von TikTok stark verändert: Die Erzählstränge werden kürzer, genauso wie die Aufmerksamkeitsspanne der User:innen. So rücken vor allem fiktives und Short Form Storytelling immer mehr in den Vordergrund. Insbesondere durch TikTok sind die Werkzeuge für Storytelling nicht nur diverser, sondern auch teilweise einfacher geworden. Text Overlays, Sounds und Effekte können Videos jeweils anders framen und sorgen für eine neue Weise, Geschichten zu erzählen. Wie genau schaffen es also Marken, die Nutzer:innen in den Bann ihrer Geschichten zu ziehen und für sich zu gewinnen?
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Heute würde man sagen: Ein Short Video sagt mehr als tausend Worte. Doch warum ist das eigentlich so? Gesehenes prägt sich besser in unsere Köpfe ein als Gehörtes, denn während wir zu Bildern Emotionen entwickeln können, bleibt das Gehörte oft nicht lange erhalten. Diesen Aspekt macht sich das visuelle Storytelling zu eigen und wo sollte dies besser funktionieren als in den sozialen Netzwerken? Auf TikTok, Instagram und Co. erreichen uns nicht nur Fotos, sondern auch Videos, Musik, Sounds und etliche Trigger, die das limbische System (also den Ort, der unsere Emotionen verarbeitet und über das Abspeichern im Kurz- oder Langzeitgedächtnis entscheidet) aktivieren. Geschichten lassen sich eben am allerbesten über Bild- und Videomaterial erzählen. Dabei hat sich allerdings auch die Art der visuellen Darstellung verändert: Der Durchbruch von TikTok im Jahr 2020 hat maßgeblich die Ansprüche an visual Storytelling verändert, die es nun noch für viele Marken zu ergründen gilt.
Den Hype um TikTok macht vor allem eins aus: Short Videos. Ein Format, das im Sturm die Köpfe und Herzen der User:innen erobert hat. Andere Plattformen wie Instagram und YouTube tun es der App gleich, um mit dem starken Erfolg mithalten und User:innen weiterhin an sich binden zu können. Während früher auf YouTube teilweise 20- bis 30-minütige Videos im Trend waren, geht auch der Video-Gigant mit einem ähnlichen Format (Shorts) an den Start, um dem Short Video Aufschrei gerecht zu werden.
Mit der zurückgehenden Videolänge verändert sich jedoch auch die Art und der Aufbau des Storytellings. Von Long Form hin zu Short Form – eine Entwicklung, die maßgeblichen Einfluss auf die Content Creation und auch den Konsum der Inhalte hat. Der elementare Unterschied liegt in der Erzählstruktur. Während Long Form Formate einem Spannungsbogen folgen (Einleitung → steigende Handlung → Höhepunkt → absteigende Handlung → Ende), starten Short Form Inhalte sofort mit 100 % Spannung und halten diese konstant aufrecht.
Das TikTok-Storytelling bedient sich einer Hook, die das Video startet: Ein kurzer, prägnanter Aufhänger, welcher der Community sofort klar macht, worum es gehen wird. Hooks geben dem jeweiligen Video einen Rahmen und grenzen vor allem thematisch ein, welche Informationen in den Short Videos behandelt werden. Das nachfolgende Storytelling sollte sich also an der Hook orientieren und auch nur so viel beinhalten, wie am Anfang des Videos versprochen wird. Beginnt ein Video also beispielsweise mit “Diese Top 5 Reiseziele auf Mallorca solltest du kennen”, werden auch nur jene fünf Locations vorgestellt – und das kurz, prägnant und emotionalisierend durch passendes Bild-, Video- und Sound-Material.
Dank einer aufgeladenen Hook startet das Asset mit Faszination und schürt Interesse. Wichtig ist an dieser Stelle, die Spannung danach aufrecht zu erhalten – und zwar für den Rest des Videos. Das mag zu Beginn wie eine schwer zu überwältigende Herausforderung klingen, entpuppt sich bei der durchschnittlichen Länge von Short Videos allerdings als durchaus machbar, eine wahre Mission (im)possible! Etwa 29 Sekunden hat das durchschnittliche TikTok (Quelle: Decoding Social 2023 – Intermate Group), also eine halbe Minute, die von Anfang bis Ende emotionalisiert, packt und Aufmerksamkeit erregt.
Da TikTok vor allem als Entertainment Plattform bekannt ist und die typischen Social Eigenschaften in den Hintergrund stellt, hat sich fiktives Storytelling immer mehr etabliert. Im Gegensatz zum realen Storytelling geht es also um nachgestellte/ausgedachte Szenen oder beispielsweise Memes. Obwohl wir hier von fiktiven Geschichten sprechen, liegen viele von ihnen realen Situationen zugrunde, mit denen sich eine Vielzahl an Nutzer:innen identifizieren kann. Sie greifen also reales Momentum auf und erzählen die Geschichten neu, teilweise weniger fiktiv, sondern eher über-inszeniert. Die Meme-Kultur wurde von TikTok gleichermaßen geprägt und revolutioniert. Laut Philipp Westermeyer (Gründer OMR) stammen rund 43 % aller Memes aus TikTok selbst (Quelle: The State of Social 2023). Der Trend um die über-inszenierten Stories überrollt den Social Markt und das unter anderem durch eine App, die ebenfalls zum Short Video Vorreiter gehört: CapCut.
Im April 2023 war CapCut sowohl im iOS App Store als auch bei Google Play unter den Top Ten der meist gedownloadeten Apps – kumuliert verzeichnete die App rund 23 Mio. Downloads und belegte Platz fünf im Ranking (Quelle: appfigures). Damit ist CapCut von der TikTok Oberfläche nicht mehr wegzudenken. Der gleichnamige Hashtag verzeichnet auf TikTok mittlerweile über 5,25 Billionen Aufrufe. Die Applikation schafft es mit immer mehr Vorlagen auf die For-You-Pages der Nutzer:innen und ermöglicht dabei einen nahezu barrierefreien Eintritt in die Kreativwelt von TikTok. Eingeloggt mit dem TikTok-Profil kann das Bearbeiten auch schon losgehen – kein Abonnement notwendig.
Die App ermöglicht es nicht nur User:innen ohne großen Aufwand TikTok-native Videos zu erstellen, sie setzt gleichermaßen Trends. Viele Vorlagen schaffen es wöchentlich in die Top-Trends der Plattform und animieren hunderttausende von Nutzer:innen zum Mitmachen. So können auch Creator:innen, die noch keine jahrelange Online-Präsenz vorweisen, an Trends partizipieren, qualitativ hochwertige Videos kreieren und vor allem Zeit bei der Produktion sparen. Die App bietet nicht nur eine Grundlage für den Videoschnitt, sondern auch ein breites Portfolio an Green Screen Effekten, Memes, Video-Vorlagen und eine Sound- und Musik Library. Bei dieser Bandbreite an Tools innerhalb einer einzigen Applikation werden Programme wie Adobe Premiere beinahe obsolet für TikTok Content.
Jain. Betrachtet man das altbekannte Storytelling mit ausgiebigem Spannungsbogen, einem langen Erzählstrang und einem einzigen Höhepunkt, so lautet die Antwort wohl ja – zumindest auf Social Media. Allerdings ist das Storytelling damit nicht letztendlich gestorben, es hat sich lediglich verändert, auch wenn diese Entwicklung weitreichend und nachhaltig ist. TikTok hat die Art und Weise der Kommunikation und auch des Konsums von Social Media Inhalten verändert, denn die Trends und Features auf TikTok schwappen nach und nach auf alle Social Media Plattformen über. Trends setzen sich in den Köpfen der Menschen fest, beeinflussen den alltäglichen Sprachgebrauch sowie das Verständnis für Geschichten und damit auch die Erwartungshaltung an diese.
Ist damit das Storytelling 2.0 geboren? Wir sagen ja. Short Form Video Content hat die Art Geschichten zu erzählen, nachhaltig geprägt. Inhalte werden kürzer, der Spannungsbogen entwickelt sich zu einem explosiven Element, das sich durch das ganze Asset zieht. Im Social Web wird es zunehmend schwieriger, den Anforderungen an die Inhalte gerecht zu werden – wer sich nicht anpasst, erreicht mit seinen:ihren Geschichten niemanden mehr. Und wer jetzt denkt: “Mir doch egal, wir machen nur Facebook und YouTube!”, sollte sich vor Augen führen, welch hohen Einfluss TikTok auf alle anderen Plattformen hat. TikTok Trends sind gesellschaftliche Trends und ob man nun will oder nicht, die Auswirkungen davon sind überall spürbar. Die Augen davor zu verschließen, wird Marken nicht nur um das Potenzial der Bekanntheitssteigerung berauben, sondern langfristig dafür sorgen, dass die eigenen Geschichten schon bald nicht mehr gehört werden.
Storytelling ist auf Social Media unumgänglich, um Emotionen und Interesse bei den User:innen zu erwecken.
TikTok hat die Art Geschichten zu erzählen verändert und zwar nicht nur auf der Plattform selbst, sondern auch auf allen anderen.
Fiktives Storytelling wird immer bedeutender – Memes sind mittlerweile ein popkulturelles Gut, mit dem sich die Nutzer:innen identifizieren können.
CapCut bietet (teilweise) kostenlos die Möglichkeit, ohne hohen Aufwand TikTok-nativen Content zu erstellen und an Trends zu partizipieren.
Immer kürzere Videos bedingen auch einen verkürzten Spannungsbogen – Assets sollten ab der ersten Sekunde spannend genug sein, um die Rezipient:innen vom Weiterscrollen abzuhalten.