Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Trotzdem sehen wir seit Anbeginn der Zeit immer wechselnde Schönheitsideale, die sich in Kulturkreisen und Epochen durchsetzen und Menschen einer Gesellschaft maßgeblich prägen. Im Zeitalter von Social Media nimmt nicht nur die Verbreitung von Schönheitsstandards zu, sondern diese verschärfen auch den Druck auf die Gesellschaft. Selbstoptimierung und -darstellung liegen auf Social Media nicht nur dicht beieinander, sie bedingen sich gegenseitig - nur, wer auf seinem Kanal über die eigene Verwirklichung spricht, erlebt sie. Wie Schönheitsideale in den sozialen Netzwerken funktionieren, welchen Einfluss sie auf unsere Gesellschaft haben und welche Gegenbewegungen es zu den Beauty Trends gibt, thematisieren wir in der neuen Kolumne der Woche.
Auch wenn der Wahn nach Schönheit und Perfektion in der heutigen Zeit als besonders extrem wahrgenommen wird, waren Schönheitsideale schon immer ein beständiger Teil von gesellschaftlichen Kreisen jeder Kultur. Im Laufe der Zeit veränderten diese sich jedoch stetig. Während im alten Rom und Griechenland blasse Haut, kurvige Frauenkörper, muskelbepackte Männer und wilde Mähnen beliebt waren, sind heute die altbekannten 90-60-90-Maße trendy - hoch lebe die Diät- und Fitnesskultur. Im Grunde beschreibt ein Ideal also einen Zustand, der für einen Großteil einer gesellschaftlichen Gruppierung erstrebenswert ist. In diesem Fall sind es körperliche Merkmale, die als besonders schön, beliebt und wegweisend gelten.
Psycholog:innen sprechen davon, dass wir bereits von klein auf nach unserem Äußeren beurteilt und eingestuft werden. Beispielsweise werden “schöne” Kinder mehr beachtet und mit Komplimenten überschüttet, so der Psychologe und Attraktivitätsforscher Dr. Martin Gründl von der Universität Regensburg. Dieser Umstand verändert sich auch mit steigendem Alter nicht, er verschärft sich im Grunde nur.
Das Netz ist voll von Inhalten, die Menschen zeigen; in den sozialen Netzwerken ist dies immerhin der Dreh- und Angelpunkt. Wir wollen Gesichter und Körper von anderen sehen und das können wir auf Instagram, TikTok und Co. wunderbar. Doch dank Globalisierung und Social Networking Apps schreitet auch die Verbreitung von Selbstdarstellung im Netz voran. Heute sehen wir vor allem Fitness, Schlankheit und Makellosigkeit im Mittelpunkt der Selbstoptimierungsszene. Wer keine Mitgliedschaft im Gym nebenan hat, wird wohl dieses Jahr weder seinen:ihren Traumkörper noch die Zufriedenheit erfahren, die er:sie sich doch so sehnlich wünscht. Doch neben schlanken Beinen und einem Sixpack darf der Frau auch die üppige Oberweite und ein voluminöser Po nicht fehlen. Langes Haar ist Grundvoraussetzung und das Gesicht wird verziert von hohen Wangenknochen, einer schmalen Nase und vollen Lippen. Doch die Schönheitsideale machen vor keinem Geschlecht Halt: Männer sind idealerweise groß. Und stark. Sie haben einen Eightpack, starke Arme und ein breites Kreuz; sie tragen Bart und volles Haar. Im besten Fall werden ihre Körper von Tattoos geschmückt, die einen Hauch von Badboy verkörpern. Die Schönheitsstandards sind dabei nicht nur erstrebenswert, sondern legen auch fest, wer durch seine gegebenen Attribute als besonders weiblich oder männlich wahrgenommen wird.
Wenn Schönheitsideale im Netz nicht nur die äußere Wahrnehmung, sondern auch den subjektiven Wert der eigenen Person bestimmen, kann das ganz schön am eigenen Gerüst der Selbstakzeptanz und -liebe rütteln. Wir sehen täglich Inhalte, die uns an uns selbst zweifeln lassen und vor allem jene, die uns immer wieder an unsere körperliche Unzufriedenheit und Unvollkommenheit erinnern. So beeinflusst uns die Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken auf mehreren Ebenen. Doch damit nicht genug - denn nicht alles, was wir auf Social Media sehen, ist real.
Tausende Filter und Apps, mit denen wir Bilder und Videos per Klick bearbeiten können: Sie sind Teil des Problems, denn oft verändern sie weitaus mehr in einem Gesicht als das Hinzufügen von Hundeohren oder Herzchen rund um den Kopf. Unreinheiten auf der Haut können wegretuschiert, die Taille schmaler und der Bizeps größer gemacht werden, ohne viel Know-how, in wenigen Sekunden. Weichzeichner, Verzerrungstools und Vorlagen für strahlend weiße Zähne oder einen beachtlichen Wimpernaufschlag stehen an der Tagesordnung und werden mittlerweile inflationär genutzt - und das alles, um den Schönheitsstandards der heutigen Zeit zu entsprechen.
Wer seinen Content auf Social Media bearbeitet und in welchem Ausmaß, das bleibt oft ein Geheimnis. Genau deswegen fällt es schwer, sich nicht mit den makellosen Körpern und Gesichtern unserer Popstars auf Social Media zu vergleichen und die dadurch aufkommenden Selbstzweifel im Keim zu ersticken. Doch seit einiger Zeit gibt es auf Instagram und Co. auch eine Gegenbewegung, die sich den klassischen Schönheitsidealen bewusst widersetzt.
Der Ursprung der sogenannten Body Positivity Bewegung liegt bereits im Jahre 1969. Durch soziale Medien erhält das Thema seit einigen Jahren allerdings eine nie dagewesene Aufmerksamkeit. Der Hashtag #bodypositivity verzeichnet mittlerweile über 11,6 Mio. Beiträge und hat eine riesige Community hervorgerufen. Als Gegenbewegung zu den vorherrschenden Schönheitsidealen und entgegen den Trends, die unrealistische Körperbilder zeichnen, setzen sich die Anhänger:innen für die Akzeptanz des eigenen Körpers ein - ganz egal, wie dieser aussieht. Immer mehr Creator:innen unterstützen die Message und stehen für #FürmehrRealitätaufInstagram ein. Sie zeigen sich in “unvorteilhaften” Posen statt mit eingezogenem Bauch. Ohne Filter, Facetune und Weichzeichner.
Selbstdarstellung im Netz ist keine Seltenheit, allerdings wird sie vor allem dann problematisch, wenn Bearbeitungsapps im Spiel sind, die nicht gekennzeichnet werden. Medien schaffen bekanntlich Realität - sehen wir also retuschierte Körper auf Social Media, üben diese Druck auf unsere Selbstwahrnehmung aus, obwohl sie mit der Wirklichkeit herzlich wenig zu tun haben.
In Frankreich und Norwegen gibt es bereits seit einigen Jahren ein Gesetz, das den Einsatz von Filtern und Bearbeitungsapps unter eine Kennzeichnungspflicht stellt. Vor allem jüngere Nutzer:innen sollen so vor unrealistischen Schönheitsidealen geschützt werden. Auch in Deutschland wird eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht diskutiert, ob diese allerdings in naher Zukunft umgesetzt wird, bleibt vorerst unklar.
Schönheitsideale gibt es seit Beginn der Menschheit. Sie verändern sich mit der Zeit und basieren auf kulturellen Gegebenheiten innerhalb einer Gesellschaft.
Durch soziale Medien schreitet die Verbreitung von Schönheitsidealen schneller voran.
Filter und Bearbeitungsapps sorgen für eine verzerrte Wahrnehmung von Realität - sie schaffen unrealistische Vorstellungen und Ansprüche.
Gegenbewegungen wie Body Positivity stellen sich den Trends entgegen und versuchen, für mehr Realität auf Instagram und Co. einzustehen.
Erste Länder setzen eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Filter und Bearbeitungen von Social Media Beiträgen ein. So können vor allem jüngere Nutzer:innen vor unrealistischen Schönheitsidealen geschützt werden.