Klima-Kleber, Altparteien, Links-grüner Wahnsinn – diese Schlagworte tauchen auf TikTok immer wieder auf. Der Urheber: die AfD. Mit einer ausgeklügelten Social Media Strategie tritt die Partei in den sozialen Netzwerke mit Videos, Fotos und Text-Posts. Dabei ist sie so erfolgreich wie keine andere Partei, das zeigt eine Analyse der Intermate Group. Woran das liegt und wie die Alternative für Deutschland vorgeht, haben wir analysiert.
*Dieser Artikel dient lediglich als Informationsquelle. Wir als Intermate Group lehnen die AfD, ihre politische Ausrichtung, ihre Kommunikation und alle hier zitierten Aussagen ab. Aus diesem Grund haben wir uns dazu entschieden, alle hier erwähnten Videos nicht zu verlinken, um keine weitere Aufmerksamkeit darauf zu lenken.
Kumuliert betrachtet eine Millionen Follower:innen auf Facebook, 700k auf TikTok, über 600k auf YouTube: Was sich wie eine Influencer-Erfolgsgeschichte liest, ist die der Partei, die es vor ein paar Jahren noch gar nicht gab. Gestartet als Protestpartei gegen den Euro, ist die AfD in ausgewählten Bundesländern bereits die stärkste Partei. Und das, obwohl die AfD seit Jahren immer weiter nach rechts rückt und von der Teile durch das Bundesamt für Verfassungsschutz mittlerweile als gesichtert rechtsextrem eingestuft werden.
Dieser Erfolg zeigt sich auch in den sozialen Medien, über alle Plattformen hinweg hat die Partei die größte Followerschaft. Besonders auf YouTube und TikTok hängt die AfD die anderen Parteien ab: Auf YouTube hat die Partei einen Marktanteil von 71,9 %, auf TikTok sogar einen Anteil von 81,2 %. Doch auch abgesehen von den schlichten Zahlen der Follower:innen hat die Partei die Nase vorn, denn Rezipient:innen der AfD klicken nicht nur häufiger den Follow-Button, sondern vergeben auch mehr Likes oder schreiben Kommentare – und treiben so die durchschnittliche Engagement Rate der Partei auf TikTok auf insgesamt 5,6 %. Zum Vergleich: Die SPD kommt auf TikTok nur 0,42 %.
“Klima-Kleber in den Knast!”, “Abschied vom grünen Narrenschiff!”, "Abschied von grünen Lebenslügen”: Die weißen Parolen zeichnen sich gegen den blauen Hintergrund ab. Sie erinnern an die Wahlplakate der Partei: kurz und provokant. Hinter den Titelbildern stecken Ausschnitte der Reden der AfD-Fraktionsmitglieder im Bundestag oder Auftritte in Talkshows. Egal ob Chrupalla, Weidel, Von Storch oder Brander, sie alle schmücken den TikTok-Account der AfD, der mittlerweile über 300k Follower:innen vorweisen kann. Die Partei setzt, anders als andere Konkurrent:innen – beispielsweise die FDP mit Thomas Sattelberger – nicht auf Trends oder lustige Sketches. Sie macht auf TikTok einfach das, was sie am besten kann: polarisieren. Statt eigens für die Plattform konzipierte Videos reproduziert die AfD Inhalte mit außergewöhnlich hoher Frequenz: So teilte die Partei in den letzten 30 Tagen 59 Videos auf TikTok - eine doppelt so hohe Postfrequenz wie erfolgreiche Creator:innen und Marken. Minimaler Aufwand, maximaler Erfolg.
Einer der erfolgreichsten Mitglieder der AfD in den sozialen Medien: Der Fraktionsvorsitzende der Partei in Thüringen – Björn Höcke. Der ehemalige Gymnasiallehrer teilt auf Instagram und TikTok immer wieder persönliche Eindrücke. Wer seine Accounts besucht, findet den Politiker, der bereits vom Verfassungsschutz beobachtet wurde, im Urlaub, auf grünen Wiesen oder beim Fahrradfahren. Bodenständig lächelt er in die Kamera und wirkt fast schon sympathisch. Außer, man schaut seine Videos:
Björn Höcke im Anzug, im Hintergrund eine Deutschland-Flagge. In einem hochqualitativ produzierten Video wendet er sich an seine Follower:innen und gegen seinen größten Feind, die Medien. Genauer gesagt: Den Focus, der, so Höcke, wieder einmal zu seiner Person recherchiere. Mit einem Fragenkatalog, der ihn empöre, schockiere; einem Katalog, der vor gar nichts Halt mache. Nicht mal vor der Beerdigung seines Vaters, auf der Höcke eine Wutrede über eben jenen Mann gehalten haben soll, der da tot vor ihm im Grab lag. Die Frage der Journalist:innen: “Stimmt das?”. Der Fraktionsvorsitzende antwortet auf diese nur Folgendes: “Ich frage Sie, sehr geehrte Journalisten: Schämen Sie sich nicht?”. Dann steht er auf und verschwindet aus dem Bild. Die Kamera bleibt weiter auf dem leeren Stuhl. Stille, 6.901 Likes.
Ein anderer Post: Höcke hinter einem Redepult in Thüringen, im Publikum wehen Deutschlandflaggen gegen den grauen Himmel, es ist Herbstlaub auf den Bäumen. “Wir beenden die Zerstörung des Hauses Deutschlands.” posaunt Höcke in das Mikro, im Publikum pfeift und grölt es zustimmend. 2.991 Likes.
Höckes Beiträge kommen gut an. Er verzeichnet eine Engagement Rate von insgesamt über 9 %, liegt dabei rund 8 % vor Bundeskanzler Olaf Scholz. Die Kommentare sind fast ausschließlich positiv. Blaue Herzen schmücken die Sätze, User:innen sprechen ihm gut zu. “Unser bester Mann” schreibt einer, eine andere Userin: “Wir stehen hinter Ihnen.” Die Deutschlandflaggen der Demos wehen auch in den Kommentarspalten.
Ähnlich präsentiert sich auch Alice Weidel. Auf ihren Accounts finden sich Reden hinter blauen Pulten, kurze Parolen und Selfies – die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag und Bundessprecherin der AfD fällt nicht nur immer wieder aus dem klassischen Raster ihrer Partei, sie fällt auch in den sozialen Medien auf. Mit kurzen Slogans und Zitaten tut sie immer wieder ihre Meinung kund, feiert die Erfolge ihrer Partei und inszeniert sich so gekonnt mit dem immer wieder benutzten Hashtag #unserlandzuerst: 180k Follower:innen auf Instagram, 6,6 % Engagement. Zum Vergleich: Der CDU-Chef Friedrich Merz kommt nur auf 108k Follower:innen und eine Engagement Rate von knapp 2,5 %, die durchschnittliche Engagement Rate für Creator:innen (für Reels) auf Instagram liegt bei 4,1 % (Intermate Tech, 2023).
Neben den bekannten Gesichtern der AfD gibt es noch einen anderen, in den sozialen Medien sehr erfolgreichen Politiker: Ulrich Siegmund, mit über 300k Follower:innen deutschlandweit der erfolgreichste Politiker auf TikTok. Der AfD-Politiker lebt und arbeitet in Sachsen-Anhalt, ist dort Mitglied des Landtages und ein echter TikTok-Star. Sein Slogan: “Mut zur Wahrheit”. Und was die Wahrheit ist, bestimmt vornehmlich er selbst. Nur eins ist klar: die Medien, die "Altparteien", die Linke, die Grünen, die urbanen Kosmopoliten, sie kennen sie nicht. Seine Videos funktionieren dabei nach einem einfachen Konzept. Siegmund spricht in die Kamera und berichtet über alles, was seiner Meinung nach in der Republik schief läuft. So auch diesen Winter. In einem Video hält der Politiker eine Zeitung in die Luft. Die Schlagzeile: Corona mit Wucht zurück. Sie mache ihn sprachlos, diese Panikmache. Seine Frage an die Zuschauer:innen: “Geht der Wahnsinn wieder von vorne los?”. 37,1k Likes, 12,17 % Engagement. Ein User kommentiert: “Hier hilft leider nur noch eine Revolution, leider”.
Egal ob analog oder digital, die AfD geht einen einfachen, jedoch sehr effektiven Weg, denn der Fokus der Partei liegt alleine auf den Inhalten, die Gestaltung fällt in den Hintergrund. Dabei funktionieren die Videos auf TikTok, ähnlich wie die Wahlplakate, nach klassischem populistischen Prinzip. Es gibt kurze, polarisierende Überschriften und Ausschnitte aus Reden oder Talk-Shows der bekannten Gesichter der Fraktion. Das war’s.
Diese Strategie ist besonders. Während andere Parteien versuchen, sich an die Regeln der sozialen Medien anzupassen, ignoriert die AfD diese gekonnt. Es gibt keine Trends, keine Sounds, kein Tanzen zu politischen Botschaften, keine Witze, keine Parodien; kurzum: überhaupt nichts, was auf TikTok eigentlich gut läuft.
Stattdessen macht die Partei das, was sie am besten kann: dagegen sein und Ängste schüren. Sie hetzt dabei vor allem gegen Linke und Grüne – im Schnitt alle zwei Tage. Doch nicht nur das: Zählt man alle Accounts der Partei und Parteimitglieder:innen zusammen, dann hat die AfD so viele Profile auf TikTok wie keine andere Partei in Deutschland. Und als ob das nicht genug wäre, werden diese offiziellen Accounts von sogenannten Drittaccounts unterstützt, die die populistischen Botschaften der AfD verbreiten. Die Profile, deren Urheber:innen in der Regel nicht bekannt sind, teilen Inhalte der AfD unter anderen vermeintlich harmlosen Namen, kommentieren und liken rechte Inhalte und verbreiten so die populistischen Inhalte schnell und effektiv. Das liegt vor allem daran, dass der Algorithmus von TikTok Inhalte primär anhand des Contents entscheidet, was auf der For-You-Page ausgespielt wird, ob User:innen den Accounts auch wirklich folgen, ist dabei zweitrangig. Durch die hohe Aktivität der Partei steigt so die Chance, eine große Personengruppe zu erreichen - und so den Algorithmus nach rechts zu manipulieren.
Der Erfolg der AfD in den sozialen Medien zeigt, wie Filter-Bubbles, Fake News und populistische Botschaften schnell Erfolg bringen können - und das nicht nur online, sondern auch im echten Leben. Doch auch, wenn die AfD momentan noch an der Spitze liegt, ziehen andere Parteien auf Social Media langsam nach. So haben auch CSU und SPD das Potenzial von TikTok erkannt und erzielen vereinzelt mit ihren Videos Views in Millionenhöhe. Dabei setzt auch die CSU auf ähnliche Videostrukturen wie die AfD: kurze Titel, Ausschnitte von Reden und scharfe Kritik an politischen Gegner:innen - wohl in der Hoffnung, Anhänger:innen der AfD durch eine ähnliche und doch gemäßigtere Strategie abzufangen. Auch die SPD springt teilweise auf diese Vorgehensweise auf, mischt dabei jedoch die Reden immer wieder auch mit Aufklärungsvideos.
Doch nicht nur die anderen Parteien reagieren auf den Erfolg der AfD: zahlreiche Medienberichte wollen Aufmerksamkeit schaffen. Besonders im Fokus steht hierbei ein Bericht von funk, der die Strategie der AfD intensiv beleuchtete und ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Populäre Medien wie die Tagesschau, der Spiegel, der Deutschlandfunk oder die taz zogen zeitnah nach.
Kritik an der Partei findet sich nicht nur in den Medien, sondern auch auf den Kanälen der Partei selbst. So häufen sich unter einigen Videos kritische Stimmen. Ein User schreibt: “AfD-Verbot jetzt!”, ein anderer: “Nie wieder Faschismus! Nie wieder Rassismus! Deswegen NIEMALS die AfD wählen!”.
Die AfD reagiert darauf nicht selten mit Einschränkungen der Kommentare - für User:innen, die die Seite besuchen, ein klares Indiz dafür, dass negatives Feedback nicht erwünscht ist.
Wir sehen: Die AfD ist in den sozialen Medien erfolgreich, wie momentan noch keine andere Partei. Doch was für den Online-Raum gilt, ist im analogen Leben nicht deckungsgleich, hier schneiden viele Parteien zumindest in dem Großteil der Bundesländer besser ab. Und auch im Netz reagieren Medien und politische Gegenstimmen – und versuchen so, über populistische Strategien aufzuklären oder ihnen etwas entgegenzusetzen.
Die AfD ist mit Abstand die erfolgreichste Partei in den sozialen Medien, das zeigt nicht nur die hohe Followerschaft, sondern auch die überdurchschnittliche Engagement Rate.
Die AfD gestaltet ihre Inhalte auf TikTok ähnlich wie die Wahlplakate in der analogen Welt – prägnant und populistisch.
Der größte TikTok-Shootingstar der AfD, Ulrich Siegmund, ist gleichzeitig auch der erfolgreichste deutsche Politiker auf der Plattform.
Egal ob Björn Höcke, Alice Weidel oder Ulrich Siegmund: Sie alle überzeugen ihre Follower:innen mit Nationalismus, der sich auch zustimmend immer wieder in den Kommentarspalten der Politiker:innen findet.
Zur TikTok-Strategie der Partei gehört vor allem eins: Schnelligkeit. Die Partei orientiert sich nicht an Trends, sondern teilt vor allem Reden ihrer Mitglieder:innen und kurze Slogans. Unterstützt wird sie dabei von zahlreichen Drittaccounts.